In der Berichterstattung der Medien ist der Einzelhandel zurzeit vor allem durch Krisen präsent: Allen voran durch die Insolvenz von Galeria Kaufhof, allein der zuletzt angekündigte Personalabbau wird in Hamburg weitere 260 Arbeitsplätze im Einzelhandel vernichten, rund 180 in den beiden Häusern die geschlossen werden sollen (Wandsbek und Harburg) und weitere 80 in den Fortführungsfilialen. Besonders bitter für die Kolleg*innen: Seit mehreren Jahren verzichten sie auf jährlich 5500 Euro ihrer tarifvertraglichen Leitungen, um dem Unternehmen aus der Krise zu helfen, doch das Management hat es nicht verstanden, die Chance zu nutzen und ein zukunftsfähiges Warenhaus zu formen. Auch die rund 680 Mio. Euro Steuergeld, die das Unternehmen im Besitz des österreichischen Milliardärs Rene Benko stützen sollten, haben daran nichts geändert.
Schnell wird die Ursache ausgemacht: Pandemie, Digitalisierung und Online-Handel seien schuld und das Rezept des Managements ist so simpel wie falsch. „Gesundschrumpfen“ lautet die Devise, und wenn es noch nicht geholfen hat, dann muss noch mehr geschrumpft werden. Dagegen positioniert sich Heike Lattekamp, stellvertretende Landesleiterin bei ver.di Hamburg, die einige Jahrzehnte Erfahrung mit der Handels-Branche hat: „Das Unternehmen Galeria, wie der stationäre Einzelhandel insgesamt, muss aufhören, über möglichst billiges Personal zu konkurrieren und endlich die Stärken des stationären Einzelhandels herausstellen: Beratungsqualität und ausreichend Personal sind der Wettbewerbsvorteil. In Verbindung mit guten digitalen Elementen (z. B. Click and Collect) hat das Warenhaus als hybrides Warenhaus eine Zukunft.“
Ein weiterer ungenutzter Wettbewerbsvorteil ist die Kompetenz der Beschäftigten. „Sie kennen ihre Kundinnen und Kunden und haben wertvolle Ideen. Bei Galeria haben die Beschäftigten ganz konkrete Vorschläge eingebacht, doch das Management greift diese nicht auf. Echter Gestaltungswille ist nicht erkennbar. Wenn wir sehen, das auch rentable Häuser geschlossen werden, dann zeigt sich darin doch, dass es dem Konzern nicht um die Entwicklung des Warenhauses geht, sondern um die gewinnbringende Vermarktung der Immobilien.“
ver.di will den stationären Einzelhandel der Zukunft mitgestalten. Die Beschäftigten sollen mitgenommen und bei Bedarf Qualifiziert werden, Gesundheitsschutz muss eine Rolle spielen und natürlich der Schutz vor Personalabbau.
So fordern die Beschäftigten bei Ikea einen Digitalisierungstarifvertrag, doch das Unternehmen weigert sich, darüber zu verhandeln. Bei H&M hingegen haben die Kolleg*innen einen solchen Digitalisierungstarifvertrag erkämpft.
Thalia Nord ist mit seinen Häusern in Berlin und Hamburg gleich ganz aus der Tarifbindung ausgestiegen, hier kämpfen die Kolleg*innen seit Januar 2022 um die Rückkehr in die Tarifbindung, auch mit Streiks.
Vor diesem Hintergrund fordert ver.di in Hamburg in der anstehenden Tarifrunde im Einzelhandel die Arbeitgeber erneut auf, mit ver.di gemeinsam die Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages zu beantragen.
„Lohndumping ist kein Managementkonzept und muss gestoppt werden“, sagt Heike Lattekamp, „dafür brauchen wir die die Allgemeinverbindlichkeit.“
Die ver.di-Tarifkommission für den Einzel-, Versand- und Buchhandel in Hamburg fordert eine Anhebung der Gehälter um 2,50 Euro pro Stunde und 250 Euro für die Azubis bei einer Laufzeit von 12 Monaten.
Auf die Frage, ob das überhaupt leistbar sei angesichts des Umbruchs im Einzelhandel sagt Heike Lattekamp, die in Hamburg auch Verhandlungsführerin ist: „Die Branche hat für das zurückliegende Jahr gute Umsätze gemeldet, daran müssen die Beschäftigten beteiligt werden. Es kann nicht angehen, dass Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, im Einzelhandel sind das überwiegend Frauen, am Ende eine Rente unterhalb des Grundsicherungsniveaus erhalten. Auch im Einzelhandel müssen die Einkommen vor Altersarmut schützen!“ ver.di fordert deshalb auch ein rentenfestes Mindestgehalt von 13.50 pro Stunde.